LIFE Forschungsbereich

Agenten-basierte Verkehrsmodellierung und zukunftsfähige Mobilität

Die Entwicklungen im Bereich der Mobilität erfolgen zurzeit unter der Grundausrichtung einer angestrebten Verkehrswende. Darunter versteht man einen Prozess die Mobilitätsanforderungen so zu verändern, dass diese in einer zukünftig nachhaltigen und klimaneutralen Form gewährleistet werden können.

Die angestrebten Verkehrswende beinhaltet eine ganze Reihe von Änderungen wie etwa:

  • Antriebsformen (z.B. Elektromobilität)
  • Verkehrsverhaltensänderungen (z.B. Nutzung anderer Verkehrsmittel)
  • Organisatorische Veränderungen (z.B. Sharing Economy)
  • Die Mitnahme von sozial benachteiligten Gruppen (z.B. gendergerechte Verkehrsplanungen)
  • Eine Energiewende hin zu einer Dekarbonisierung des Verkehrs (z.B. THG-Bilanzen, LCA-Betrachtungen)
  • Veränderung des Lebensstils (z.B. Aktive Mobilität als Gesundheitsfaktor) 
  • Veränderung des öffentlichen Raums (z.B. Neuverteilung der öffentlichen Flächen und Stärkung der Aufenthaltsfunktionen)

Eine besondere Herausforderung stellt insbesondere für Österreich - bedingt durch die Siedlungsstruktur - der rurale Raum dar. Für dessen Bevölkerung ist nur eine eingeschränkte Bandbreite für die Handlungsfelder vorhanden, um die Ziele einer Klimaneutralität mit dem Fokus 2040 auch im Verkehrs- bzw. Mobilitätssektor mit einem vertretbaren Aufwand zu erreichen.

Daraus ergeben sich eine Vielzahl an wissenschaftlichen Fragestellungen, die in einem Gesamtkontext zu adressieren sind.

Unser wissenschaftlicher Fokus liegt darauf, diese komplexen Zusammenhänge mit Hilfe der agentenbasierten Verkehrsmodellierung zu untersuchen. Basis dafür ist einerseits der virtuelle Versuchsraum des "LIFE mobility model – Carinthia" und anderseits die Kompetenz, agentenbasierte Modelle auch in anderen Städten, Regionen, Gemeinden zu implementieren.

Agentenbasierte Verkehrsmodellierung am Beispiel Kärnten:

Sehen Sie sich die Simulation aus dem LIFE mobility model – Carinthia an, welche sich auf die Aktivitäten und das Verhalten von Verkehrsteilnehmer*innen in Klagenfurt zwischen 3:00 und 24:00 Uhr (werktags) bezieht.

Agent-based mobility modelling

Wir bieten eine fundierte Expertise in der Modellierung des Verkehrsverhaltens der einzelnen Individuen unter Einbeziehung von gesellschaftlichen Trends wie z.B. ein steigendes Bewusstsein für Gesundheit. Durch die Erforschung und Erarbeitung realitätsgetreuer Abbildungen von Verkehrssystemen in Städten oder Regionen  können wir Entscheidungsträger*innen auf allen Ebenen unterstützen.

  • Agent-based mobility modelling für Emissions- und Nachhaltigkeitsmonitoring und –bewertungen

Durch die systemische Betrachtungsweise werden Planungsprozesse im Verkehrsbereich in Bezug auf Klima- und Nachhaltigkeitswirkungen begleitet und mitgestaltet. Parallel dazu wird die innovative „3+1 Säulen Methode“ der Nachhaltigkeitsbetrachtung (Ökologie, Wirtschaft, Soziales und Gestaltung) für verkehrsbezogenes Assessment und Monitoring erforscht und angewandt.

  • Real-Time-Data-Integration

Auf Basis von externen Einflüssen z.B. Veranstaltungen, Straßensperren, Wetterdaten und den daraus resultierenden Veränderungen im Mobilitätsverhalten werden dynamische Verkehrsmodelle erstellt und weiterentwickelt.

Aktuelle Forschung

Lebenszyklusanalysen von Mobilitätsangeboten und Transportsystemen

Life Cycle Assessment (LCA) nimmt im Verkehrssektor einen immer höheren Stellenwert ein. Hier liegt der Fokus primär auf den Antriebstechnologien im Kfz-Bereich. Neben dem Vergleich der Antriebsarten mit unterschiedlichen Treibstoffen (Benzin, Diesel, eFuel) rücken LCA-Analysen und Bewertungen der Elektromobilität mit den unterschiedlichen Chemien und Produktionen forschungstechnisch verstärkt in den Vordergrund.

Zukünftige Anwendungsfelder ergeben sich aber auch generell bei der Verkehrsinfrastruktur. Auch in diesem Themenfeld werden neben umwelttechnischen Betrachtungen LCA Analysen zunehmend ein Entscheidungskriterium. Dieser mögliche Anwendungsbereich spannt sich über Großprojekte wie etwa die Elektrifizierung einer Schienentrasse hin bis zu kleineren Projekten, beispielsweise eine klimaneutrale Bushaltestelle im öffentlichen Verkehr.

Mobilität, Freizeit und Tourismus

Credit: iStock/imantsu

Das könnte Sie interessieren:

LIFE forscht an Verbesserungen der Mobilitätskonzepten vor allem für Tourismusregionen

Mobilität und Lebensstile

Mobilität ist eine wichtige Teilmenge der gesamtheitlichen Betrachtung von Lebensstilen. In diesem Themenbereich wird untersucht, welche Auswirkungen Lebensstilveränderungen auf die Mobilität haben, aber auch, wie Veränderungen im Mobilitätsverhalten die Lebensstile beeinflussen. Aufbauend darauf wird erforscht, welche Parameter in das agentenbasierte Modell eingepflegt werden können.

Aktive Mobilität und Gesundheit

Aktive Mobilität umfasst alle Bewegungsarten, die zumindest teilweise mit Muskelkraft durchgeführt werden. Dazu zählt man insbesondere Zufußgehen und Fahrradfahren, aber auch das Fortbewegen mit z.B. Tretrollern, Skateboards sowie Elektrofahrrädern. Neben den geringen Emissionen sind bei dieser Fortbewegungsart auch gesundheitliche Effekte hervorzuheben. Die WHO empfiehlt für Erwachsene 150 bis 300 Minuten Bewegung gemäßigter Intensität pro Woche, die zum Teil über die aktive Mobilität im Alltag abgedeckt werden kann.

Im urbanen Raum ermöglichen effiziente Siedlungsstrukturen die Erreichbarkeit der Aktivitäten (Arbeiten, Bildung, Einkaufen und Erledigungen, Freizeit etc.). Diese Ausprägung der Erreichbarkeit wird zusammen mit einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehr (auch zur Erhöhung der Resilienz gegenüber Wettereinflüsse) zunehmend ein Faktor für Lebensqualität von Städten.

Der ländliche Raum wurde diesbezüglich in den letzten Jahrzehnten stark vernachlässigt. Es fehlt die Infrastruktur (Gehsteige und Fahrradwege), Einkaufsangebote wurden in den letzten Jahren oft außerhalb der Ortskerne, an den Ortsrändern errichtet. Die Tagesweglängen der ruralen Bevölkerung sind tendenziell höher, wodurch eine höhere Affinität zum motorisierten Individualverkehr (MIV) gegeben ist.

Die Stärkung aktiver Mobilität und in weiterer Folge auch Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz unterstützt auch einen sozialen Ausgleich mit den vulnerablen Gruppen in unserer Gesellschaft. Im Gegensatz zum MIV ist Zufußgehen für alle leistbar. Dies unterstreicht den Stellenwert einer aktiven Mobilität, welche mehrere Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der UN adressiert.

Wetterabhängigkeit im Verkehr

Das Wetter beeinflusst das Verkehrsverhalten der Menschen. Dies zeigt sich im Verkehrsaufkommen, bei der Verkehrsmittel-, Ziel- und Routenwahl, aber auch bei der Wahl der Abfahrtszeiten. Grundsätzlich ist die Variabilität der Veränderung auch von der Aktivität (Verkehrszweck) abhängig. Bei Aktivitäten, die man zeitlich verschieben kann (z.B. Freizeit, Einkaufen) ist eine deutlich höhere Variabilität gegeben als bei den Arbeits- und Ausbildungswegen.

Durch globale Trends in Richtung aktiver Mobilität, verstärkt durch die Folgewirkung der COVID19-Pandemie hat dies zur Folge, dass das Verkehrssystem insbesondere im urbanen Raum immer variabler wird. Dies zeigt sich dadurch, dass die Nachfragespitzen im öffentlichen Verkehr zunehmend auch von der aktuellen Wettersituation abhängig sind. Insbesondere Extremwettersituationen, die zum Teil eine Folgewirkung des Klimawandels sind, führen zu Belastungsspitzen im urbanen Raum (Fußgänger und Fahrradfahrer wechseln an diesen Tagen verstärkt zum ÖV). Dies stellt die Dimensionierung der Verkehrsinfrastruktur aber auch die Verkehrsmodellierung vor neue Herausforderungen und generiert neue Forschungsfragen im Bereich der Mobilität.

Auf Basis der agentenbasierten Verkehrsmodellierung, die von LIFE verfolgt wird, lässt sich die Wetterabhängigkeit des Verkehrssystems detailliert untersuchen und Anpassungsreaktionen bewerten. Auf diese Weise können die potenziellen Auswirkungen von Infrastrukturentscheidungen auf das Verkehrsverhalten analysiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.

Rebound bei Mobilitätsinnovationen

Zahlreiche Mobilitätsinnovationen, die sich derzeit am Markt etablieren, unterliegen dem Risiko von Rebound-Effekten.

Rebound kann die positiven Wirkungen vieler Mobilitätsinnovationen untergraben: Auch wenn eine Innovation die Erreichbarkeit und Mobilitätsdienstleistungen energieeffizienter oder umweltfreundlicher bereitstellt, können die Nutzer*innen allmählich ihr Mobilitätsverhalten und ihre Konsummuster anpassen und damit den ökologischen Effizienzgewinn langfristig (über-)kompensieren.

Unsere Forschungskompetenz im Bereich Rebound ist daher hochrelevant für Förderprogramme, Politikstrategien und Innovationsvorhaben, welche die weitreichenden transformativen Wirkungen von Mobilitätsinnovationen berücksichtigen wollen.

Aktuelle Forschung